Was ist eigentlich ein Volk? Als Wissenschaft von
den Völkern müßten hier eigentlich Ethnologie und Volkskunde Auskunft
geben können. Warum der Fall nicht so einfach liegt, davon handelt
dieses Buch. Der Autor, ein promovierter Ethnologe und Volkskundler, vor
der Wende wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Akademie der
Wissenschaften der ehemaligen DDR, beschäftigt sich mit dem „Nebel“,
der gegenwärtig um den Volksbegriff erzeugt wird, konkret mit seinem
nicht ganz zufälligen Verschwinden aus dem wissenschaftlichen Diskurs
und dem allgemeinen Sprachgebrauch. Als zentrales ideologisches
Instrument zur Verbreitung dieses Nebels entlarvt er in dieser
überwiegend „populärwissenschaftlich“ gehaltenen, gut lesbaren
Darstellung die völlig harmlos daherkommende amerikanische Kulturanthropologie. Weil diese aber die ständig sich verändernde Lebensweise
als Kultur begreift, gelingt es ihr scheinbar, alle fixen kollektiven
Identitäten, die ja meist kulturell unterlegt sind, rein abstrakt
aufzulösen. Damit avanciert die Kulturanthropologie im Prozeß der
Globalisierung zur trickreichen Waffe der Globalisten im Kampf gegen die
Völkervielfalt. Demgegenüber präsentiert der Autor mit der
„historisch-systemischen“ Methode der russischen Ethnos-Theorie
überzeugend eine Alternative dazu und testet ihre Belastbarkeit und
Chancen am Beispiel der Entstehungsgeschichte unseres eigenen Volkes.
Dabei kann er den Nachweis erbringen, daß sich diese Ethnogenese nicht nur in unseren Gehirnen, im intellektuellen Diskurs als „Erfindung“ von Volkskundlern und Ethnologen abgespielt hat, wie uns die „Konstruktivisten“ heute einreden wollen, sondern ein realer Prozeß der Weltgeschichte war.
Zur Person:
Christian Böttger, geb. 1954, Facharbeiterausbildung als Gärtner für
Zierpflanzenbau mit Abitur 1974, studierte von 1983-1988 Ethnographie,
deutsche Geschichte und Volkskunde an der Humboldt-Universität zu
Berlin. Danach arbeitete er bis Ende 1991 als wissenschaftlicher
Mitarbeiter im Wissenschaftsbereich Kulturgeschichte/Volkskunde am
Zentralinstitut für Geschichte (Akademie der Wissenschaften der DDR) an
einem Forschungsprojekt auf dem Gebiet der Kulturgeschichte sozialer
Reformbewegungen in Deutschland um 1900. Ende 1993 promovierte er an der
Humboldt-Universität zum doctor philosophiae. Anschließend war er als
wissenschaftlicher Mitarbeiter an verschiedenen Lexikonprojekten
beschäftigt.