Post, Walter: Die Ursachen des Zweiten Weltkrieges
Ein Grundriß der internationalen Diplomatie von Versailles bis Pearl Harbor
Ein Grundriß der internationalen Diplomatie von Versailles bis Pearl Harbor
Wer begann den Zweiten Weltkrieg? Für die etablierte
Geschichtswissenschaft scheint die Antwort eindeutig: natürlich Hitler.
Er habe den Krieg ›entfesselt‹, indem er am 1. September 1939 Polen
überfiel. Und er habe schon vorher keine Gelegenheit ausgelassen, Europa
an den Rande des Abgrunds zu treiben, so im Falle des Rheinlandes,
Österreichs, des Sudetengebietes und schließlich der ›Rest-Tschechei‹.
Doch das ist, wie so häufig, nur die halbe Wahrheit. Und halbe
Wahrheiten können ganze Lügen sein, wenn sie Dinge verschweigen, die für
die Gesamtbeurteilung von entscheidender Bedeutung sind.
Was den Zweiten Weltkrieg angeht, sind Hitler und seine Verantwortung
für den Kriegsausbruch ein typischer Fall von ›halber Wahrheit‹. Hitler
hat nie verschwiegen, daß er eine Revision des Versailler Diktats wolle –
eine Forderung, mit der bei der überwältigenden Mehrheit der Deutschen
auf Zustimmung stieß und bei vielen Ausländern Verständnis fand. Man hat
den Ersten Weltkrieg zu Recht als die »Urkatastrophe« des 20.
Jahrhunderts bezeichnet. Aber dazu wurde er nicht zuletzt durch jene
›Friedensverträge‹, die unendlichen Unfrieden stiften sollten. Die
weitsichtigeren Politiker auf Seiten der Sieger erkannten sehr wohl, daß
Versailles ein miserabler Friede war und den nächsten Krieg geradezu
vorprogrammierte. Unabhängig davon hatte sich in Rußland ein neuartiges
Regime mit weltrevolutionärer Zielsetzung etabliert, daß dem alten
Europa den Kampf auf Leben und Tod ansagte. Und bei alledem darf man die
Rolle der USA nicht vergessen. Ihr Eintritt in die europäische Politik
sollte letzlich zur Ausschaltung Europas als Machtfaktor der
internationalen Politik führen.
Der Münchener Historiker Walter Post hat es unternommen, in einer
ebenso umfassenden wie profunden Untersuchung Hintergründe und
Auswirkungen der damaligen internationalen Politik auszuleuchten und
dabei insbesondere die Mitverantwortung Washingtons und Moskaus am
Zustandekommen des Zweiten Weltkrieges darzulegen. Post konnte dabei
nicht nur auf eigene umfangreiche Recherchen zurückgreifen, er konnte
sich auch auf eine umfangreiche amerikanische Literatur stützen, die
schon bald nach dem Kriege die offizielle Version des Weißen Hauses
hinterfragte. Diese Untersuchungen kamen übereinstimmend zu dem
Ergebnis, daß die Politik Roosevelts zur Entstehung des Zweiten
Weltkrieges entscheidend beigetragen habe.
Im Gegensatz zu zahlreichen älteren Darstellungen führt Post dem Leser
bewußt eine globale Perspektive von Augen. Denn tatsächlich wurde der
europäische Konflikt von 1939 erst durch das Eingreifen
außereuropäischer Mächte zum Zweiten Weltkrieg. Diese Mächte betrieben
gleichzeitig auch auf weit entfernten Schauplätzen eine
Interessenpolitik, die weitreichende Rückwirkungen auf Europa hatte. Vor
allem die Einbeziehung der Ereignisse im Fernen Osten, die Post überaus
kenntnisreich darlegt, erweitert den Horizont der Diskussion um die
Ursachen des Zweiten Weltkrieges in bedeutendem Maße. Die Rolle der USA
und der UdSSR, aber auch des Deutschen Reiches auf diesem Schauplatz der
Weltpolitik ist selbst bundesdeutschen Fachhistorikern im allgemeinen
wenig geläufig. Und die Verengung des Blicks auf die japanische
Expansionspolitik in der Mandschurei führt nur zur Bestätigung politisch
korrekter Klischees: Japan sei der Aggressor, die USA der
transpazifische Friedensstifter gewesen. Doch die Realität war weitaus
komplizierter.
Das Deutsche Reich unter Hitler war nur einer von vielen Akteuren in
dem großen Drama, und die These von der Alleinschuld der deutschen
Führung am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wirkt allein schon deshalb
wenig glaubwürdig. Post verschweigt nicht, daß Hitler mit seinen
inszenierten Krisen und Nervenkriegen in Europa mehrmals die Gefahr des
Krieges heraufbeschwor. Andererseits kam er in der Sommerkrise 1939
England und Polen überraschend weit entgegen, um eine friedliche
Beilegung des Konflikts zu ermöglichen. Doch zu diesem Zeitpunkt waren
Roosevelt udn Stalin am europäischen Frieden nicht mehr interessiert.
Inhaltsverzeichnis:
9 Einleitung
21 Europa und das Vertragswerk von Versailles
Die »Vierzehn Punkte« des Präsidenten Wilson 21
Der Friede von Brest-Litowsk 23
Die Auflösung Österreich-Ungarns und die Bildung der Nachfolgestaaten 28
Kriegsende und Revolution in Deutschland 36
Der Versailler Vertrag 42
Die deutsche Politik bemüht sich um eine Revision des Versailler Vertrages 52
Die Weimarer Republik und die Sowjetunion 57
Das Nachkriegseuropa und die kollektive Sicherheit 59
Die europäischen Abrüstungsverhandlungen bleiben ohne Ergebnis 63
65 Hitler und die nationalsozialistische ›Weltanschauung‹
Der junge Hitler in Wien 65
Die Partei der Frontkämpfer 73
Grundzüge einer nationalsozialistischen Außenpolitik: Ost- oder Westorientierung? 79
85 Großbritannien und die Folgen des Weltkrieges
91 Die außenpolitischen Leitlinien Lenins und Stalins: der ›zweite imperialistische Krieg‹ und die Weltrevolution
100 Die amerikanische Große Depression und der Wahlsieg Franklin D. Roosevelts
105 Die Außenpolitik des Dritten Reiches 1933-1937
Die Neuorientierung der deutschen Außenpolitik nach der Machtübernahme Hitlers 105
Die Wiederbesetzung des Rheinlandes 108
Hitler erkennt in der Sowjetunion eine Gefahr für Europa 111
Der Abessinienkonflikt schwächt den Völkerbund und führt zu einer deutsch-italienischen Annäherung 113
Der Spanische Bürgerkrieg 117
Hitler faßt die Annexion Österreichs und der Tschechei ins Auge 119
123 Stalins Fünfjahrespläne und die sowjetische Aufrüstung
128 Die Neukonzeption der britischen Deutschlandpolitik unter Premierminister Chamberlain
In den britischen Eliten herrschen unterschiedliche Auffassungen zur künftigen Behandlung Deutschlands 128
Lord Lothian entwirft ein Konzept für eine neue Deutschlandpolitik 131
Lord Halifax fühlt bei Göring und Hitler vor 133
136 Die neue amerikanische Europapolitik unter Präsident Roosevelt
Die jüdische Frage belastet die deutsch-amerikanischen Beziehungen 136
Roosevelt trifft auf den Widerstand der Isolationisten 138
Roosevelt versucht, auf die britische Politik Einfluß zu nehmen 140
Der Weltfriedensplan des Präsidenten 142
147 Die deutsche Wiederaufrüstung 1933-1940
Die Reichswehr macht erste Pläne für eine Wiederaufrüstung 147
Der Aufbau der neuen Wehrmacht 149
Die Luftrüstung in Europa 1938-1940 153 D
eutschland kann die Rüstungsparität mit den Westmächten nicht erreichen 156
160 Der Ferne Osten bis zum Ausbruch des japanisch-chinesischen Krieges 1937
Die Vereinigten Staaten und der Aufstieg Japans 160
Das Washingtoner Flottenabkommen und der Neun-Mächte-Vertrag 161
Revolution und Bürgerkrieg in China 163
Die mandschurische Krise und die Entstehung des japanischen Satellitenstaates Mandschukuo 166
Die chinesischen Kommunisten und der ›Lange Marsch‹ 172
Die amerikanische Ostasienpolitik nach dem Amtsantritt Präsident Roosevelts 174
Die Konsolidierung der Herrschaft Chiang Kai-sheks ruft in Japan Besorgnis hervor 176
Die amerikanisch japanischen Spannungen halten an 180
Die deutsche Militärmission in China 184
Eine Schießerei an der Marco-Polo-Brücke führt zum japanisch-chinesischen Krieg 187
Die deutsche Vermittlung und ihr Scheitern 194
Der japanisch-chinesische Krieg aus der Sicht Moskaus und Washingtons 198
202 Der Anschluß Österreichs
Die innere Entwicklung Österreichs bis zum Putsch gegen Bundeskanzler Dollfuß 202
Bundeskanzler Schuschnigg im Schatten der deutsch-italienischen Annäherung 205
Schuschnigg versucht die österreichische Unabhängigkeit durch eine Volksabstimmung zu retten 217
Die österreichische Bevölkerung jubelt Hitler zu 225
Die Vereinigten Staaten reagieren auf den ›Anschluß‹ reserviert 229
233 Die Sudetenkrise
Die Sudetendeutschen werden 1918 gegen ihren Willen der Tschechoslowakei angeschlossen 233
Hitler plant die Zerschlagung der Tschechoslowakei 236
Frankreich fühlt sich für einen Krieg ungenügend vorbereitet 241
Chamberlain möchte einen Krieg zur Rettung der Tschechoslowakei vermeiden 242
London und Paris suchen nach einem Ausweg aus der Krise 245
Hitler erhöht den Druck auf Prag 253
Chamberlain fliegt nach Berchtesgaden 255
Benesch beginnt dem Druck nachzugeben 257
In Paris und London formiert sich die Opposition 260
Chamberlain und Hitler treffen sich in Godesberg 266
Der Nervenkrieg erreicht seinen Höhepunkt 270
Mussolini schlägt eine Gipfelkonferenz vor 280
Die Konferenz von München 283
289 Von München nach Prag
Das Münchener Abkommen führt zu keiner Verbesserung des deutsch-englischen Verhältnisses 289
Die ›Reichskristallnacht‹ und ihre Folgen 291
Die Entwicklung der deutsch-polnischen Beziehungen bis zur Besetzung Prags 300
Die Besetzung der ›Rest-Tschechei‹ 303
Das Ende der Appeasement-Politik 310
Hitlers Reichstagsrede vom 28. April 1939 319
324 Die Sommerkrise 1939
Der »Stahlpakt« 324
Die deutsch-sowjetischen Beziehungen bis zum Sommer 1939 326
Die Krise um Danzig spitzt sich zu 336
Die englisch-französischen Bündnisverhandlungen mit der Sowjetunion 337
Die deutsch-sowjetischen Verhandlungen über einen Nichtangriffspakt 349
Die Rede Stalins vom 19. August 1939 356
Der Hitler-Stalin-Pakt 361
Präsident Roosevelt unternimmt nichts, um Polen zu retten 370
Die internationalen Reaktionen auf den deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt 374
Hitler macht England ein Bündnisangebot 383
Mussolini erklärt Italien für nicht kriegsbereit 389
Das Ringen um eine Verhandlungslösung 397
Die Kriegserklärungen Englands und Frankreichs 424
430 Der europäische Krieg
Der deutsch-sowjetische Grenz- und Freundschaftsvertrag 430
Die deutsch-sowjetischen Wirtschaftsbeziehungen 438
Präsident Roosevelt und der europäische Krieg 444
Der russisch-finnische Winterkrieg 450
Die Europareise von Sumner Welles 454
Die Besetzung Dänemarks und Norwegens 458
Der Frankreichfeldzug 460
London und Paris drängen auf einen amerikanischen Kriegseintritt 464
Die Sowjetisierung des Baltikums 471
Moskau übt militärischen Druck auf Rumänien aus 474
London umwirbt Moskau 478
Hitler macht erste Pläne für einen Krieg gegen die Sowjetunion 482
Das amerikanisch-britische Zerstörergeschäft 488
Das amerikanische Leih- und Pachtgesetz 491
Der sowjetische Druck auf Finnland und Rumänien hält an 494
Hitler favorisiert einen Kontinentalblock gegen England 507
517 Hitler entscheidet sich zum Angriff auf die Sowjetunion
Der Berlin-Besuch Molotows 517
Unternehmen ›Marita‹ 532
Der japanisch-sowjetische Nichtangriffspakt 537
Moskau versucht Friedfertigkeit vorzutäuschen 540
Hitlers Gründe für den Feldzug gegen Sowjetrußland 546
Schulenburg überreicht Molotow die deutsche Kriegserklärung 554
Sowjetische Vorbereitungen und Planungen für den Krieg gegen Deutschland 555
Roosevelt sucht den Konflikt im Atlantik 564
574 Der Ferne Osten als Hintertür zum amerikanischen Kriegseintritt
Roosevelt eröffnet den Wirtschaftskrieg gegen Japan 574
Hitler drängt Japan zum Krieg 580
Die ›ABCD‹-Vereinbarungen 583
Roosevelt verhängt ein Ölembargo gegen Japan 585
Roosevelt verspricht Churchill den Krieg gegen Japan 590
Hull lehnt ein Treffen zwischen Roosevelt und Fürst Konoye ab 591
Der Weg nach Pearl Harbor 605
Die deutsche Kriegserklärung an die Vereinigten Staaten 617
621 Schlußbetrachtung 647
Literaturverzeichnis 659
Personenverzeichnis
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